Was genau Stress ist, darüber könnte man … nochmal so
viele Jahre streiten wie bereits geforscht wurden.
Wir wissen
mittlerweile alle („Augenverdreh“) die Bezeichnung kommt aus der
Materialforschung und jeder scheint darunter zu leiden. Wir meinen zu
wissen („Lippenkräusel“) Stress sei negativ und tunlichst zu
vermeiden. Und die wenigsten wissen („erstaunt schau“), dass
Stress eine durchaus nutzvolle, gar interessante Handlungsweise
unseres Systems „Körper“ ist.
Betrachtet man Stress aus der
neuro-/chemischen Perspektive, dann muss man respektvoll der
Perfektion zollen und Schlüsse daraus ziehen, wie man sich diese
Perfektion und dieses Wissen zu Nutze machen kann.
Was passiert denn bei Stress?
Was immer wir gerade machen, im Hintergrund unseres
Alltagshandelns scannt unser Gehirn (mithilfe des Körpers,
Hightecsensoren) nahezu alles. Muss so sein und geht nicht anders.
Scannt und bewertet auch auf „Stressoren“. Neben den üblichen
Stressauslösern wie Säbelzahntiger (Kampf um Leben und Tod) oder
Eiszeit (ebenso potentiell tödlich), gibt es auch eine Reihe
subjektiver Auslöser für Stress. Je nach Vorgeschichte, Auslegung
der Situation, eigenem Filter. Als Stressor kann man jene
Dinge/Situationen bezeichnen, die der Mensch als Herausforderung,
Gefahr oder Bedrohung sieht und meint diese nicht meistern zu können,
oder eben nur mit erheblichem Aufwand.
Und wer hat jetzt keine bestimmte Situation seines Alltags vor
Augen? Nur jene, die über das Lesen dieses Beitrags bewusstlos
geworden sind. Alle anderen dürften wohl an einen ihrer Stressoren
gedacht haben. Die 150 Mails die sich über den Urlaub angesammelt
haben (wohl wissend, dass 80 % davon eh nichtig sind)? Die stille
Adventszeit vielleicht? Der gut gefüllte Terminkalender?
Was beim Denken an den Stressor jetzt möglicherweise im Körper
passiert ist – sofern die Stressreaktion gut trainiert oder
automatisiert – ist eine Meisterleistung, die kurz und sehr
vereinfacht beschrieben wird:
Sinnesorgane oder Erinnerungen führen dazu, dass das Gehirn (im
Besonderen der „Thalamus“, bekannt als Tor zum Cortex oder als
„ja, eh, jetzt schau ma mal, dann soll noch jemand anderes zB. der
Cortex drüberschaun und dann machen wir mal...“) eine Bewertung
durchführt. Wie erwähnt wird jeder Mensch gewisse (sehr gefährliche
Dinge) gleich aber andere unterschiedlich bewerten. Wir bewerten
jetzt als „Herausforderung, mit erheblichem Aufwand verbunden“,
da wir 130 Mails als unwichtig und 20 als wichtig differenzieren
müssen. Daher wird ein Signal an das Limbische System (im Besonderen
die Amygdala, bekannt als Mandelkern oder „ ach so? Na wenn dass so
ist, dann werd ich jetzt mal … dem zeig ich`s aber... wir ballen
die Faust und erheben sie im Geiste,...) gesendet. Zu diesem
Zeitpunkt wird schon jede Menge Glutamat (gibt’s also nicht nur in
der Sojasoße) ausgeschüttet, dies führt dazu, dass irgendwo anders
(auch im Limbischen System) noch jede Menge Noradrenalin dazu
geschüttet wird. Das wiederum startet den – den
Biofeedbackerfahrenen bekannten – Sympathikus an, der mischt auch
noch mit Noradrenalin mit, startet damit die Nebennierenrinde an und
jetzt ist die Faust nicht mehr im Geiste geballt, jetzt ist sie kalt,
ein Zittern und eine Unruhe gehen durch den Körper, denn jetzt
rauscht es durch die Adern, das Adrenalin.
Jeder der schon einmal Fallschirm gesprungen, in Tauchmontur von
einem fahrenden Boot oder Vollgas über die Autobahn gebrettert ist
denkt sich jetzt „ein sensationeller Zustand, das geilste Gefühl
das man sich vorstellen kann!“. Der Unterschied zwischen diesen
adrenalingeschängerten Erinnerungen und unserer Stresssituation ist
aber die Interpretation als „wahrscheinlich bis sicher meisterbar“
und die zu Ende geführte Situation (gesprungen, abgetaucht,
geschrien,...).
Kommen wir zurück zu unseren 150 Mails. Die zu checken dauert
jetzt doch länger als gedacht, immerhin gibt es noch anderes zu tun.
Deshalb sendet die Amygdala, das ungeduldige „Luder“ noch einmal
die Stressbotschaft an die Nebennierenrinden, diesmal über einen
anderen Weg und mit Rufzeichen. Nämlich Cortisol. Mittlerweile
sitzen wir schon geraume Zeit vor dem PC, das Blut gesättigt vom
Zucker, der sicherheitshalber bereitgestellt wurde für etwaige
Kämpfe auf Leben und Tod. Nach 12 Stunden gehen wir nachhause,
gereizt bis zum Geht nicht mehr (wissen nicht warum) und zuhause, da
„entspannen“ wir uns, denn der Tag war aufreibend und hart.
Und genau das wird NICHT funktionieren! Der aufmerksame Leser hat
den Haken bei der Sache bereits gefunden, den anderen sei geraten
noch eine Runde Cortisol zu produzieren, aber sich bloß nicht
aufregen. Die Lösung folgt...
...die Informationen stammen neben eigenen Erfahrungen aus Carlson, N. R. (2004). Physiologische Psychologie. Pearson Studium, diversen Biofeedback-Seminaren und spannenden Vorlesungen...